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Gesundheits- und Veterinäramt Magdeburg

Information über Erkrankungen an Tularämie, erworben im Magdeburger Elbegebiet

Information über Erkrankungen an Tularämie, erworben im Magdeburger Elbegebiet

Das Gesundheits- und Veterinäramt der Landeshauptstadt Magdeburg informiert über drei Erkrankungen an Tularämie, erworben im Magdeburger Elbegebiet und erstmalig für Magdeburg erfasst: Von Anfang Oktober 2023 bis Ende Dezember 2023 erkrankten eine 71-jährige Frau, eine 60-jährige Frau und ein 68-jähriger Mann aus Magdeburg an Tularämie (Synonyme: Hasenpest, Nagerpest, Nagetierseuche u. a.).

Die 71-jährige Frau erkrankte mit grippeähnlichen Symptomen und Lymphknotenschwellungen (ohne Ulkus, glanduläre Form). Bei ihr wurde zuerst der Verdacht auf Tuberkulose gestellt, dies bestätigte sich nicht. Die 60-jährige Frau erkrankte mit Lymphknotenschwellungen, Ulkusbildung (ulzeroglanduläre Form) und reduziertem Allgemeinzustand. Der 68-jährige Mann wurde bewusstlos in seiner Wohnung aufgefunden, bei ihm wurden Pneumonie (pulmonale Form) und septischer Schock diagnostiziert. Bei der 71-jährigen Frau sind Grundkrankheiten nicht bekannt. Die 60-jährige Frau leidet an einer Autoimmunerkrankung, mit immunsuppressiver Therapie. Der 68-jährige Mann hat Diabetes mellitus Typ II, Hypertonie und mittelgradige Niereninsuffizienz. Die Fälle wurden labordiagnostisch bestätigt. Zwei Erkrankungen wurden serologisch nachgewiesen, mittels PCR-Untersuchung wurde der Erreger Francisella tularensis Subtyp holarctica vom Konsiliarlabor am Robert-Koch-Institut (RKI) ermittelt. Bei der 60-jährigen Frau wurde die Diagnose ebenfalls serologisch gestellt, die PCR-Untersuchung im Konsiliarlabor ergab ein grenzwertiges Ergebnis, weil wenig Lymphknotenmaterial eingesandt wurde, der Erreger ist im Lymphknoten nicht gleichmäßig verteilt.

Die Tularämie tritt in Deutschland selten auf. Der Erreger ist gegenüber äußeren Bedingungen sehr widerstandsfähig, besonders bei niedrigen Temperaturen. Er hat ein sehr breites Wirtsspektrum: er infiziert Kleinsäuger wie Mäuse, Kaninchen, Hasen, andere Wildtiere, auch Haustiere. Nachgewiesen wurde der Erreger auch in Stechparasiten (Zecken, Mücken, Bremsen), in Vögeln und Lurchen. Zudem befindet sich der Erreger in der Umwelt (Erde, Wasser). Der Erreger ist hochinfektiös, die Infektionsdosis ist gering, nur etwa 10 Erreger reichen für eine Infektion aus. Infektionswege sind: direkter Kontakt zu Haut/Schleimhaut, Schmierinfektion, Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln, Aufnahme von kontaminiertem Wasser, Inhalation von kontaminierten Stäuben/Aerosolen, Stiche von Stechparasiten. Bei vielen Erkrankungen bleiben laut RKI die Infektionsquellen und -wege unbekannt. Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 14 Tage, in der Regel 3 bis 5 Tage, selten mehrere Wochen.

Die drei Patienten wurden antibiotisch behandelt. Wirksam sind Doxycyclin, Fluorchinolone, Aminoglykoside, Chloramphenicol, Rifampicin und auch Makrolide nach Antibiogramm. Nicht wirksam sind Betalaktam-Antibiotika, einschließlich Penicillin. Eine Infektion führt zu einer lang andauernden Immunität. Unbehandelt beträgt die Letalität etwa 10 bis 60 Prozent.

Alle drei Patienten wohnen in Magdeburg, gaben für die Inkubationszeit nur Aufenthalte im Magdeburger Stadtgebiet an und hatten keine direkten Kontakte zu Wildtieren. Eine Patientin wohnt in einem Einfamilienhaus mit Gartengrundstück in direkter Flussnähe im Stadtteil Westerhüsen, ein an der südlichen Stadtgrenze gelegener Stadtteil von Magdeburg am Westufer der Elbe. Diese Patientin bemerkte einige Tage vor Erkrankungsbeginn einen Insektenstich mit Entzündung nach Aufenthalt im Garten.

Die andere Patientin wohnt in einem Einfamilienhaus an einem Zufluss des Elbeumflutkanals im Osten von Magdeburg. Diese Patientin führt fast täglich ihre Hunde in dem Gebiet aus, die Hunde selbst waren nicht erkrankt. Ein Zecken- oder Insektenstich war ihr nicht erinnerlich, aber die Hunde seien regelmäßig mit vielen Zecken befallen. Im Bereich des Umflutkanals gibt es permanente und periodische Gewässer und seenartige Aufweitungen des Fließgewässers. Der Elbeumflutkanal ist zusammen mit dem Pretziener Wehr eine Hochwasserschutzanlage für Magdeburg und die östlich der Stadt gelegenen Gemeinden und Landwirtschaftsflächen.

Der 68-jährige Patient war in der Inkubationszeit in der Freizeit mit dem Rad und zu Fuß am Prester See, einem Altarm der Elbe in der Elbaue im östlichen Magdeburg, er selber beschreibt die Gegend als urwüchsig und sumpfig. Außerdem fahre er öfters zu seinen Arbeitsorten mit dem Rad durch die Elbauengegend. Ein Zecken- oder Insektenstich wurde von ihm nicht bemerkt.

Die benannten Aufenthaltsorte der Patienten sind zeckenreiche Gebiete. Während der Inkubationszeiten der Patienten waren die Wetterverhältnisse auffällig. Deutschlandweit war nach Einschätzung von Meteorologen der Oktober 2023 der regenreichste seit 2002 und einer der wärmsten Oktober seit 1881. Ebenso waren der November und Dezember 2023 zu mild und zu nass. Durch die hohen Niederschläge wird der Dezember 2023 zu den bisher nassesten zehn Monaten seit 1881 gehören. Sachsen-Anhalt soll den niederschlagsreichsten Weihnachtsmonat seit Messbeginn verzeichnet haben. Ab den Festtagen kam es zu Hochwasserwellen mit Überflutungen, auch im Bereich der Magdeburger Elbe. Das Pretziener Wehr wurde am 28.12.2023 geöffnet. Bereits vor Öffnung des Wehrs gab es durch die Wetterverhältnisse Überschwemmungen und steigende Grundwasserspiegel in flussnahen Gebieten der Elbe.

Gemäß des Konsiliarlabors für Francisella tularensis am RKI ist die Übertragung des Erregers über Zeckenstiche der vorerst am häufigsten anzunehmende Infektionsweg für die Allgemeinbevölkerung in Deutschland, Mückenstiche als mögliche Infektionsquelle sind sehr selten. Aufgewirbelte Stäube spielen eine gewisse Rolle. Eindeutige direkte Kontakte zu kontaminierten Lebensmitteln und Tieren betreffen eher Jagdaktivitäten und Berufsgruppen wie zum Beispiel Köche, Jäger, Forstangestellte, Tierärzte und Labormitarbeiter. Zecken sind auch im Winter aktiv. Durch milde Winter und bei ausreichender Feuchtigkeit gehen Zecken ganzjährig auf Wirtssuche. Die geschilderte Wettersituation bewirkte ein erhöhtes Zeckenaufkommen auch in den flussnahen Elbegebieten. Bei allen drei Patienten waren Zeckenstiche als Infektionsweg möglich. Eine Patientin hatte einen zeitnahen Stich bemerkt. Da Zeckenstiche überwiegend schmerzlos sind, werden Sie leicht übersehen und können für die anderen beiden Patienten unbemerkt geblieben sein. Für den 68-jährigen Mann mit Pneumonie käme auch das Einatmen von kontaminierten Stäuben in dem Landschaftsschutzgebiet Elbaue, in dem viele Wildtiere als Wirte für Zecken und Erreger leben, während der Sturmtiefs in Betracht.

Mögliche Vorbeugemaßnahmen sind Zecken- und Mückenstichprophylaxe, kein ungesichertes Berühren von Wildtieren und für Berufsgruppen das Einhalten von Arbeitsschutzbestimmungen. Die Erkrankung ist auch arbeitsmedizinisch relevant. Der labordiagnostische Nachweis von F. tularensis ist nach Infektionsschutzgesetz meldepflichtig an das zuständige Gesundheitsamt (Labormeldepflicht).

Im Ärzteblatt Sachsen-Anhalt Heft 09/2022 wurde vom Gesundheits- und Veterinäramt Magdeburg bereits über zwei Erkrankungsfälle an Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) berichtet, erworben nach Zeckenstichen im Magdeburger Elbauengebiet und erstmalig für Magdeburg erfasst.

Die flussnahen Elbeflächen sind besonders zeckenreiche Gebiete, mit der Übertragung von diesen bislang selteneren Erkrankungen kann dort bei entsprechenden Bedingungen gegenwärtig in geringem Maß gerechnet werden.

Korrespondenzanschrift:
Landeshauptstadt Magdeburg
Gesundheits- und Veterinäramt
Dr. med. Britta Mielke
Bereich Infektionshygiene
39090 Magdeburg
Tel.: 0391/540-6033, Fax: 0391/540-6005
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Dr. med. Britta Mielke
Foto: privat