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Ärztekammer erinnert an jüdische Kolleginnen und Kollegen

Projekt gegen das Vergessen

Projekt gegen das Vergessen

Israelitischer Friedhof Fermersleber Weg in Magdeburg

Sie waren Kollegen, Nachbarn, Freunde, Geliebte, ein selbstverständlicher Teil des alltäglichen Lebens: Im Jahr 1928 lebten 3.200 jüdische Menschen in Magdeburg. Die Nationalsozialisten ermordeten während des Holocaust 1.521 von ihnen, darunter 287 Kinder.

Als im Jahr 2023 in Magdeburg – 85 Jahre nach der Zerstörung der alten Synagoge durch Nazi-Schergen – endlich ein neues Gotteshaus eingeweiht wurde, zählte die jüdische Gemeinde rund 400 Mitglieder. Ein kleiner Verbund, der in Zeiten von wieder erstarkendem Antisemitismus geschützt werden muss. Ebenso wie das Andenken an all die Juden, die in der Shoah ihr Leben verloren haben oder vertrieben wurden.

Stolpersteine sollen die Erinnerung an alle Opfer der Nazi-Diktatur lebendig halten. Mittlerweile wurden über 100.000 Stolpersteine in mehr als 30 europäischen Staaten verlegt: Kleine, in den Boden integrierte Messingplatten mit Namen und Lebensdaten vor den Stätten, in denen all die ermordeten Menschen einst zuhause waren. Zusammen gelten die Steine inzwischen als das größte dezentrale Mahnmal der Welt. Über 700 dieser Stolpersteine sind auch in Magdeburg zu finden. Elf von ihnen erinnern an jüdische Ärzte. Sie stehen auch für viele Kolleginnen und Kollegen, deren Namen und Schicksale noch unklar sind. Raimund Dehmlow, Bibliothekar im Ruhestand und Mitglied der seit 2007 tätigen Arbeitsgruppe „Stolpersteine für Magdeburg“, hat sich nun eines besonderen Projektes angenommen: Der 72-Jährige erforscht die Biographien jüdischer Ärzte in Magdeburg und will ihre Geschichten in einem Buch erzählen. Vor allem, um dem Leben, dem Werk und der Leistung einer Berufsgruppe ein Denkmal zu setzen, die für die Wissenschaft aber auch die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung Magdeburgs eine wichtige Rolle spielten.

Hier sei stellvertretend Dr. Otto Josef Schlein genannt, als „Arzt der Armen“ verehrt, weil er bei Patienten nie auf das Geld schaute. Der Facharzt für Haut- und Harnleiden wohnte und praktizierte im Breiten Weg 120. Er wurde wie seine Frau Anni und Tochter Vera im Jahr 1944 in Auschwitz ermordet. Er war gerade 49 Jahre alt. „Da sind so viele Menschen, ist auch eine ganze intellektuelle Elite ausgelöscht worden; ein unwiederbringlicher Verlust, geschuldet dem irren Vernichtungswahn der Nationalsozialisten“, sagt Raimund Dehmlow, der gemeinsam mit Mitstreiterinnen und Mitstreitern nicht nur in Archiven nach Details und Puzzleteilen sucht und zusammenträgt, sondern auch mit Zeitzeugen und überlebenden Angehörigen kommuniziert. Die Recherchen, speziell zu der Berufsgruppe der jüdischen Ärzte, gestalten sich nicht ganz einfach – der Mehrheit der jüdischen Ärzte wurde 1938 die Approbationen entzogen, etliche konnten fliehen, andere tauchten unter.

Neben der Landeszentrale für Politische Bildung unterstützt auch die Ärztekammer Sachsen-Anhalt das Vorhaben, um an Leben, Werk und Wirkung von Ärztinnen und Ärzten jüdischer Herkunft in Magdeburg zu erinnern, ihrer zu gedenken und ein Signal zu setzen: Nie wieder! Nun sind Worte das eine, Taten das andere: Das Ärzteblatt wird daher das Projekt begleiten, erzählen vom jüdischen Erbe der Ärzteschaft in Magdeburg, Angehörige bzw. Hinterbliebene zu Wort kommen lassen. Im Oktober wird der Vorstand der Ärztekammer Sachsen-Anhalt außerdem an einer Führung auf dem Israelitischen Friedhof Fermersleber Weg in Magdeburg teilnehmen, um die Gräber jüdischer Ärzte zu besuchen und die Toten zu ehren.

Wer das Projekt zur Dokumentation selbst aktiv unterstützen möchte: Spenden sind willkommen (siehe Kasten). Darüber hinaus vermittelt die Ärztekammer auch gern den Kontakt zu ähnlichen Projekten in ganz Sachsen-Anhalt.

Und: Am 8. August 2024, um 15 Uhr, werden in der Großen Schulstraße 2b in Magdeburg vier weitere Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an ermordete Mitglieder der Familie Rosenberg. Zur Würdigung werden auch Angehörige aus den USA erwartet.

K. Basaran

Foto: Peter Wetzel

Hier können Sie für das Projekt spenden:
Förderverein „Neue Synagoge Magdeburg“ e. V.
Spendenkonto: Volksbank,
IBAN: DE92 8109 3274 0001 4066 98;
BIC GENODEF1MD1,
Verwendungszweck „Jüdische Ärzte“
Eine Spendenbescheinigung
kann erstellt werden. Dafür bitte
die Anschrift übermitteln.
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