Zum Hauptinhalt springen

Wir gemeinsam mit diversen Blickwinkeln

Der Mensch im Mittelpunkt einer sich wandelnden Arbeitskultur in der Medizin

Der Mensch im Mittelpunkt einer sich wandelnden Arbeitskultur in der Medizin

K. Engelmann1, M. Valtink2, A. Lohse3, M. Sedlmayr4, F. Bathelt4, I. Reinecke4, B. Sedlmayr4, A. Röhle5, E. Bibrack5

1 Augenklinik am Klinikum Chemnitz gGmbH
2 Stabstelle Gleichstellungs- und Diversity Management, Medizinische Fakultät der TU Dresden
3 Technische Universität Chemnitz, Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement, Cluster Innovation Managemen
4 Institut für Medizinische Informatik und Biometrie, Medizinische Fakultät der TU Dresden
5 MITZ - Medizinisch-Interprofessionelles Trainingszentrum, Medizinische Fakultät der TU Dresden

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Ärzteblattes Sachsen aus Heft 11/2022, Seite 20–23

Einleitung

Gesellschaftlich stehen Bereiche mit einem hohen sozialen Engagement, Bil-dung, Lehre und Wissenschaft, wie die Medizin, vor einem Wandel. Die medizinische Versorgung ist vor allem aus Sicht gesetzlich Versicherter in den letzten Jahren spürbar schlechter geworden. Auch Ärztinnen und Ärzte kritisieren vermehrt das deutsche Gesundheitssystem und die Arbeitswelt Medizin [1]: Ärztemangel, Kostendruck, fehlende Unterstützung durch die Gesundheitspolitik sowie die wenig vorbereitete Digitalisierung verschlechtern die Situation in den Krankenhäusern [1–4].
Wie kann das „System Medizin“ mit seinen zum Teil isoliert voneinander arbeitenden Organisationsformen zukunftsfähig bleiben angesichts gesellschaftlicher Megatrends und Herausforderungen, die sich aus Demographie, Digitalisierung, zunehmender Diversifikation und dem immer rascher voranschreitenden medizinisch-technischen Fortschritt ergeben? Verschiedene Blickwinkel sind nötig, um sich dieser komplexen Aufgabe zu nähern. 

Dr. med. Kathrin Engelmann
(Foto: Klinikum Chemnitz)

Megatrends sind zum Beispiel Individualisierung, Urbanisierung, Neo-Ökologie, Silver Society, Gesundheit, Sicherheit, Konnektivität, Gender Shift, Network aus: Health Trend Map 2020, www.zukunftsinstitut.de/healthreport

Medizin findet in Organisationen statt, zum Beispiel in einem Krankenhaus, welche aus Mitgliedern besteh­en, die austauschbar sein müssen, aber auch Individuen mit eigenen Bedürfnissen sind [5]. Diese Dualität als Individuum und konvertiblem Mitglied darf nicht vernachlässigt, sondern muss mitgedacht werden. In der Medizin wurden aufgrund des ökonomischen Drucks zunehmend prozessual und abgrenzend gestaltete, hierarchische Vorgehensweisen entwickelt, zum Beispiel wurden in Krankenhäusern Kernprozesse der Krankenversorgung aufgeteilt. Dadurch wurden Aufgaben und Berufsgruppen separiert und notwendiges interprofessionelles Arbeiten erschwert, beispielhaft ist das inzwischen aus verschiedenen Richtungen kritisierte Fallpauschalen-System [6, 7].

So entstanden auch wirtschaftlich abgegrenzte Sektoren für verschiedene Versorgungsformen, zum Beispiel ambulant und stationär, mit entsprechendem wirtschaftlichem Erfolg, aber ohne den Blick auf die im Gesundheitssystem arbeitenden Menschen. Innere Faktoren oder Soft Skills blieben mangels geeigneter organisationsspezifischer Möglichkeiten unberücksichtigt, obwohl die Aufgaben und Ziele der Organisation nur mit ihren verschiedenen Mitgliedern bewältigt und erreicht werden können.

Politik sowie Patientinnen und Patienten fordern eine individualisiertere Medizin, unter anderem weil Forschungsentwicklungen sich rascher, innovativer und mit zunehmender Therapievielfalt zeigen. Hier braucht es den gemeinsamen Blick auf Daten für bessere Versorgung und klinische Forschung durch interdisziplinäres und interprofessionelles, teambasiertes Arbeiten. Entsprechend kann auch die Digitalisierung nur gemeinsam vorangebracht werden. Wir müssen daher den Blick auf die Menschen in der Arbeitswelt Medizin mit Krankenversorgung, Forschung, Lehre und Digitalisierung lenken, um mit einem gemeinsamen Verständnis und aus diverseren Blickwinkeln gezielter und umfassender behandeln zu können. Beispielhaft für einen dafür notwendigen, stärker vernetzten und interdisziplinären Datenaustausch ist das durch die Medizininformatikinitiative [8] finanzierte Projekt MiHUBx (siehe „Digitalisierung“).

Organisation

Wenn sich die Behandelnden in ein System ohne ausreichenden Raum zur persönlichen oder teamgestützten Entwicklung einfügen müssen, ist ein gemeinsamer Blick auf Patientinnen und Patienten schwierig.
Ausbildung, Innovation und Entwicklung sind kaum zu bewältigen in einer Medizin, die seit Jahren einem fortschreitenden ökonomischen Systemwandel unterworfen ist und natürliche Bedürfnisse der Personen im Behandlungs- und Arbeitsprozess, zum Beispiel Übernahme von Verantwortung, Selbstwertgefühl und Wissensgenerierung, kaum berücksichtigt. Das Krankenhaus ist ein Element des Gesundheitsmarktes geworden und unterliegt ökonomischen Anforderungen. Es ist aber auch ein Ort, in dem Menschen für Menschen einstehen und täglich füreinander individuell und qualitätsbewusst handeln wollen und müssen. 

„Die aus meiner Sicht zwei größten Herausforderungen für ärztliches Personal hängen eng miteinander zusammen: Der immense Zeitaufwand, der mit Dokumentation, Arztbriefen, Hinterher-telefonieren verbracht wird und dann für angemessene Arzt-Patienten-Interaktionen fehlt und die katastrophale technische Infrastruktur im Gesundheitswesen, die verhindern, dass oben genannte Aufgaben effizienter erledigt werden können.“

J. Steinhäuser, Medizinstudent im PJ, Technische Universität Dresden

Finden diese Werte zu wenig Berücksichtigung, folgt der Abstieg und Ausstieg aus dem nicht auf den Menschen ausgerichteten System [9, 10]. Aber wie können individuelle Bedürfnisse in einer großen Organisation bedacht werden? Ein Beispiel: Über viele Jahre wurden im pflegenden und ärztlichen Bereich Schichtpräferenzen, zum Beispiel anhand des individuellen Biorhythmus oder familiärer Bedürfnisse, kaum beachtet. Heute werden Präferenzen durch Selbstorganisation im Team wieder berücksichtigt. Dies stärkt Zufriedenheit und Arbeitskraft der Menschen, wie eine Studie der Klinik Wartenburg in Bayern zur chronotyp-orientierten Personalplanung zeigt [11].

In der Medizin müssen äußere und innere Faktoren gleichberechtigt berücksichtigt werden. Mitsprache und Mitentscheiden und damit auch Zufriedenheit finden keinen Raum in einer Struktur, in welcher nur mit Mühe und hohem Aufwand der zunehmenden Komplexität und den Herausforderungen durch gesellschaftliche Megatrends begegnet werden kann.

Gegebenheiten und Herausforderungen

Bürokratie und Burn-Out in der Organisation Krankenhaus – wie kommen wir da heraus?

Die meisten Krankenhäuser haben eine unzeitgemäße, traditionell lineare Organisationsstruktur mit hierarchischer Diktion vom scheinbar Höhergestellten zum scheinbar Niedergestellten. Personengebundene Entwicklungen trennen zum Beispiel Pflege und ärztlicher Bereich. Dies erschwert die gemeinsame und in Wechselwirkung stehende, aber getrennt verantwortete Wertschöpfung, die Arbeit am Menschen. Dadurch entstehen Konflikte zwischen pflegenden und ärztlichen Kräften, die aufwändige Kommunikations- und Entscheidungsprozesse erfordern. Zudem sind weitere an der Wertschöpfung beteiligte Akteure wie Haus- und Fachärzte oft zu wenig integriert [12].

Die inhomogene bis fehlende Digitalisierung, überbürdende und veraltete Bürokratie sowie ungenügende Berücksichtigung ärztlicher Werte und Vorstellungen führen bei Ärztinnen und Ärzten zu Erschöpfung bis hin zum Burn-Out und Drop-Out [13]. 

„Lehre, Praxis, Forschung fußen auf veralteten Strukturen und Denkweisen.
Die Engagierten zerreiben sich zwischen Neugestaltung des Medizinstudiums, Versorgung der Patientinnen und Patienten, Feierabendforschung, unbezahlten Überstunden und Diensten, die nicht als Arbeitszeit gelten. Dazu sind sie bei der Anerkennung von Weiterbildungszeiten abhängig von Chefs und Kammern. Medizin muss die Bedürfnisse der Patienten und der Medizinerinnen und Mediziner beachten.“

A. Röhle, Ärztin und Dozentin, MITZ Medizinische Fakultät Technische Universität Dresden

Evaluierungen anhand einfach messbarer Faktoren zur Steigerung der Effizienz sichern dem Menschen mit seinen Werten in der Medizin keine ausreichende Zufriedenheit [14]. Die Akteure des Gesundheitswesens müssen gemeinsam Änderungen fördern, um Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal, Auszubildende, Studierende und nicht-medizinisches Personal in den Zielen und Visionen zu verbinden.

Sozialpsychologisch gleichen sich Menschen in ihren Bedürfnissen, wie modellhaft in der Maslowschen Bedürfnispyramide erklärt wird. Diese inneren Faktoren werden in den meisten Organisationsformen anerkannt, aber nicht immer genügend berücksichtigt, zum Beispiel ist die Work-Life-Balance außerhalb der Organisation Krankenhaus eher gewährleistet. In der Klinik dagegen sind individuelle Bedürfnisse wie Übernahme von Verantwortung oder selbstverwirklichendes Arbeiten unter anderem aufgrund getrennter Bereiche kaum möglich. Eine Änderung der (Führungs-)Strukturen in der Medizin hin zu mehr Wertschätzung individueller Bedürfnisse kann helfen, Arbeitsbedingungen gesünder und nachhaltiger zu entwickeln. Gesellschaft, Politik und Ärzte müssen gemeinsam die Qualität von Prozessen und Entwicklungen durch Einbeziehung diverser Blickwinkel steigern [15].

Die Medizin wird individueller und diverser – und nun?

Diversität beschreibt sichtbare und nicht-sichtbare Aspekte, zum Beispiel Gender, Alter/Lebenserfahrungen, Ethnie/Herkunft, sozialer Stand, Behinderungen/Beeinträchtigungen, und findet sich sowohl im medizinischen Personal als auch in den Patientinnen und Patienten. Obwohl Diversität in der Medizin eine besondere Rolle spielt, ist sie überwiegend androzen­triert gestaltet. Aber Patientinnen und Patienten sind nicht (wie in den meisten Lehrbüchern dargestellt) männlich konnotierte Neutra und zum Beispiel Frauen sind keine kleinen Männer. Es macht einen Unterschied, ob ein Patient oder eine Patientin von einem Arzt oder einer Ärztin behandelt wird, vor allem auch für FLINTA*1.

1 FLINTA* steht für Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans- und agender Personen, wobei der Stern all die Personen inkludiert, die sich nicht unter einem der Buchstaben wiederfinden, aber wegen ihrer Geschlechtsidentität in der heteronormativen Mehrheitsgesellschaft ebenfalls marginalisiert werden.

Unterschiede gezielt anzuerkennen und zu adressieren ist sowohl in der Versorgung als auch für die in der Medizin Beschäftigten essenziell. Dies anzuerkennen, erhöht die Qualität der Medizin in Forschung, Lehre und Versorgung und damit auch ihre gesamtgesellschaftliche Relevanz.

Nachhaltigkeit, Sinnhaftigkeit und Relevanz sind die positiven Impulse für die nachfolgenden Generationen forschender Ärztinnen und Ärzte. Eine zukunftsfähige Arbeitswelt erfordert divers zusammengesetzte Teams, stärkere Vernetzung und ein agil aufgebautes Ökosystem anstelle eines einschränkenden Top-Down, um Teamentscheidungen, Kreativität und Motivation zu fördern. Dies erfordert zusätzliche Kriterien bei der Personalauswahl der Führungskräfte: Entscheidungen für Führungspersonen dürfen nicht nur an quantifizierbare Leistungszahlen geknüpft werden, sondern auch anhand ihrer Soft und Social Skills, also wie gut sie die ihnen unterstellten Personen mit Wertschätzung, einer selbstverständlichen Fehlerkultur und transparenter, angstfreier Kommunikation stärken können. Um junge Ärztinnen und Ärzte für die Medizin zu begeistern, darf Kompetenz nicht auf messbare Zahlen reduziert und auf ökonomisch bedingte Konkurrenz gesetzt werden, sondern Teams müssen sich durch Vernetzung, Interprofessionalität, Einbindung in Entscheidungsprozesse und Diversität auszeichnen, um dem Drop-Out wirkungsvoll zu begegnen.

Digitalisierung – Fluch oder Segen?

Aktuelle Probleme und zukünftige Chancen

Digitalisierung und künstliche Intelligenz können in der Medizin Arbeitsabläufe in hoher Qualität automatisieren und optimieren. Dies ermöglicht den Beschäftigten in Versorgung und Forschung mehr Zeit für wertschöpfende Arbeiten. Auch komplexere Funktionalitäten mit einem zusätzlichen Mehrwert für Patientinnen und Patienten, zum Beispiel Systeme zur Unterstützung der Rekrutierung für Studien, Wissen zu Therapieerfolgen, prospektiver Diagnostik und Therapieentscheidungen wie beispielsweise in der Onkologie und Radiologie, können bereitgestellt werden.

„Mehr Frauen für Karrieren in Führungspositionen zu begeistern und den wissenschaftlichen Nachwuchs in diesem Bereich stark machen, dazu benötigt es ein Umfeld, das es jungen Medizinerinnen und Medizinern ermöglicht, Wissenschaft und Praxis gut miteinander zu verbinden.“
Prof. E. Troost, Dekanin Medizinische Fakultät der Technischen Universität Dresden

Über Harmonisierung von Daten und Anbindung von Kliniken und niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen können IT-Lösungen die Kommunikation verbessern für eine schnellere und passgenauere Behandlung. Neben Effizienzsteigerung und Erhöhung der Sicherheit kann Digitalisierung somit auch eine Basis für gemeinsame Forschung schaffen, den wissenschaftlichen Austausch unterstützen und bisher gebundene Kapazitäten freisetzen für eine menschliche Medizin auf höchstem Niveau.

Die Medizininformatik Initiative [16] und das mit der COVID-19-Pandemie entstandene Netzwerk Universitätsmedizin [17] bieten Chancen zum Aufbrechen lokaler Datensilos. Dagegen werden beste­hende Maßnahmen auf Landes-, Bundes- und Eu­ro­pa­ebene, zum Beispiel das Krankenhaus-Zukunftsgesetz, der European Health Data Space und die Telematikinfrastruktur, aufgrund eines ungünstigen Kosten-Nutzen-Verhältnisses, hohem Umstellungsaufwand, Fehleranfälligkeit der IT-Systeme oder mangelnder Kommunikation zwischen Herstellern und Anwendern kaum genutzt [18, 19].

Die Ablehnung verwundert nicht, da Ärztinnen und Ärzten diese Systeme ohne Mitsprache „aufgezwungen“ wurden oder sie keinen Mehrwert und Nutzen darin erkennen. Wesentlich für den Erfolg neuer digitaler Lösungen ist die Akzeptanz der Anwender, daher müssen diese in die Konzeption einbezogen und Systeme anhand ihrer konkreten Bedürfnisse entwickelt werden. Die Anwenderinnen und Anwender wiederum müssen digitale Kompetenzen für die Anwendung der Systeme entwickeln. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist hier der Schlüssel zum Erfolg, auch um dem massiven Genderbias in der digitalen Welt zu begegnen [20].

Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schlüssel zum Erfolg

Damit Ärztinnen und Ärzte vom Digitalisierungsschwung profitieren können, müssen die Anwendungen anwenderzentriert gestaltet und optimal in den Arbeitsprozess eingebunden sein. In interdisziplinären Teams bringen Entwickler beziehungsweise Informatiker ihre technischen Kompetenzen ein, Anwender spezifisches Wissen über ihre Arbeitsprozesse und ihr Arbeitsumfeld, Arbeits-, Sozial- und Geisteswissenschaftler tragen zur systematischen Prozesserfassung, strukturierten Prozessdarstellung und ergonomischen Systemgestaltung bei. Eine die Disziplinen übergreifende Kommunikation ist unbedingte Voraussetzung, aber auch Herausforderung, und erfordert Offenheit, Respekt und Wertschätzung, Reflektieren anderer Sichtweisen, Akzeptanz von geeigneteren Methoden aus anderen Disziplinen und Zeit für gemeinsames Lernen. Ein positives Beispiel ist das sogenannte „Agile Usability Engineering“ [21], bei welchem ausgehend von einer Analyse der Anwenderinnen und Anwender, Arbeitsprozesse und Arbeitsumgebung die Bedürfnisse abgeleitet und als Nutzungsanforderungen spezifiziert werden. In kurzen Entwicklungszyklen werden Lösungen entwickelt und mit den Anwendern zwischenevaluiert. Bedürfnisse, Bedarfe, Hindernisse, aber auch persönliche und organisatorische Barrieren werden über empirische Akzeptanzerhebungen [22, 23] frühzeitig und kontinuierlich erkannt, um entsprechende Lösungen zu entwickeln.

Ein Beispiel dafür ist der „Medical Informatics Hub in Saxony – MiHUBx“ – einer von sechs regionalen Knotenpunkten der digitalen Medizin-Infrastruktur in Deutschland [8]. MiHUBx soll die wegbereitende Arbeit der Medizininformatik-Initiative aus den Unikliniken in alle Bereiche des Gesundheitssystems integrieren: von der örtlichen Hausarztpraxis über das regionale Krankenhaus bis zur angeschlossenen Rehabilitations- und Pflegeeinrichtung. Die technischen Arbeiten im MiHUBx werden begleitet durch Befragungen, Interviews und Arbeitstreffen, um kontinuierlich alle Stakeholder (Entwickler, medizinisches Personal, Forschende, Patienten) einzubinden, fortlaufend die Akzeptanz zu evaluieren und den Erfolg sicherzustellen. Ergänzend werden Konzepte zur Stärkung der digitalen Kompetenzen der Anwenderinnen und Anwender entwickelt und eine Infrastruktur für Lehrinhalte, Aus- und Weiterbildungsangebote geschaffen.

Ausblick

Die neue Arbeitswelt wird professionell begleitet und interprofessionell betrieben. Moral und Ethik, Nutzen und Qualität, Arbeitsinnovation und Philosophie werden in Entscheidungsfindungen durch innovative Teams einbezogen, separierende Strukturen sind aufgebrochen. Ausgewogene Work-Life-Balance und Diversitätskompetenz fördern die Kreativität und Motivation.

I. Die Medizin der Zukunft ist ein gemeinsames Konstrukt aus Praxis, Forschung und Lehre unter der Prämisse von Sinnhaftigkeit, Anwendbarkeit, Nachhaltigkeit und gesellschaftlichen Werten. Sie ist überwiegend weiblich, nutzt KI und Telemedizin. Medizinerinnen und Mediziner arbeiten in Teams für die individualisierte Behandlung der Patientinnen und Patienten.

II. Die Forschung der Zukunft ändert den Kodex zu einer guten wissenschaftlichen Praxis und bewertet Forschungsideen stärker. Sie reduziert das Primat der Kennzahlen und nutzt ein Diversity-Management zur Neugestaltung von Werte-orientierten Kriterien.

III. Die Lehre der Zukunft ist eng verknüpft mit Praxis und Forschung und ist ein iterativer, dynamischer Prozess. Dem exponentiell wachsenden Fachwissen begegnet sie mit methodischen überfachlichen Kompetenzen. Sie vermittelt die Fähigkeit zur Selbstreflexion, lebenslangem Lernen und der Nutzung digitaler Ressourcen und trainiert verstärkt soziale, emotionale und kommunikative Kompetenzen.


Korrespondenzanschrift:
Prof. Dr. med. Katrin Engelmann
Augenklinik am Klinikum Chemnitz gGmbH
Flemmingstr. 2, 09116 Chemnitz
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Referenzen

  1. MLP Finanzberatung SE. MLP-Gesundheitsreport 2022. https://mlp-se.de/redaktion/mlp-se-de/gesundheitsreport-microsite/2022/report/mlp-gesundheitsreport-2022.pdf
  2. Schulze J. 10 Thesen zum Arztbild der Zukunft und zur Bedeutung des Arztes für eine Weiterentwicklung des Gesundheitswesens. Bundesärztekammer. https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/_old-files/downloads/111Top03SchulzeReferat.pdf
  3. Gerlinger T. Baustelle Gesundheitssystem: Aktuelle Herausforderungen in der Gesundheitspolitik - Essay. Aus Politik und Zeitgeschichte. 2022. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/270312/baustelle-gesundheitssystem/ (zuletzt abgerufen am 11.10.2022)
  4. Matusiewicz D, Aulenkamp J, Werner JA. Effekte der digitalen Transformation des Krankenhauses auf den Wandel des Berufsbildes Arzt. Klauber J, Geraedts M, Friedrich J, Wasem J (Hrsg.). Krankenhaus-Report 2019: Das digitale Krankenhaus (S. 101-115). https://doi.org/10.1007/978-3-662-58225-1
  5. Matthiesen K, Muster J, Laudenbach P. 2022. Die Humanisierung der Organisation. Verlag Franz Vahlen, München. 256 Seiten. ISBN 978-3-8006-6757-4.
  6. Lobenstein C. Missstände an deutschen Krankenhäusern. 2022. Die Zeit Nr.35, Dossier vom 25.08.2022
  7. Maio G. Geschäftsmodell Gesundheit. Wie der Markt die Heilkunst abschafft. 2014 Suhrkamp Verlag
  8. MiHUBx- Medical Informatics Hub in Saxony. [Internet.] URL: https://tu-dresden.de/med/mf/imb/forschung/forschungsprojekte/mihubx (Abgerufen am 27.09.2022)
  9. Maslow, A. H. (1943). A theory of human motivation. Psychological Review, 50(4), 370–396. https://doi.org/10.1037/h0054346
  10. https://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bedürfnishierarchie  (abgerufen am 12.10.2022)
  11. https://www.chronocollege.de/wartenberg-innovation-der-schichtplanung/ (abgerufen am 12.10.2022)
  12. Oesterreich B, Schröder C. 2019. Agile Organisationsentwicklung: Handbuch zum Aufbau anpassungsfähiger Organisationen. Verlag Franz Vahlen, München. 264 Seiten. ISBN 978-3-8006-6076-6.
  13. Bergner T. Burn out bei Ärzten: Lebensaufgabe oder Lebens-Aufgabe. 2004. Dtsch Ärzebl 101 (33): A2232-2234.
  14. Osterloh F. Kommerzialisierung: Entmenschlichung der Medizin. 2022. Dtsch ÄrzteBl 119 (6): A213-216.
  15. mckinsey.com/de/news/presse/neue-studie-belegt-zusammenhang-zwischen-diversität-und-geschäftserfolg (abgerufen am 14.10.2022)
  16. https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/bekanntmachungen/de/2022/01/2022-01-17-Bekanntmachung-Medizininformatik.html (Abgerufen am 04.10.2022)
  17. https://www.netzwerk-universitaetsmedizin.de/aufgaben-und-ziele (Abgerufen am 04.10.2022)
  18. https://www.kbv.de/media/sp/Schlussfolgerungen_Praxisbarometer_2021.pdf (Abgerufen am 04.10.2022)
  19. https://www.heise.de/news/Aerzte-fordern-Umdenken-bei-der-Digitalisierung-der-Medizin-6350900.html (Abgerufen am 04.10.2022)
  20. Oertelt-Prigione S, Strahwald B, Thun S, Höhne K. Memorandum Frauen und KI im Gesundheitswesen. 2020. Dtsch Ärzteblatt 117 (10): B417.
  21. Memmel, T. Agile Usability Engineering. [Internet.] URL: http://www.interaction-design.org/encyclopedia/agile_usability_engineering.html (Abgerufen am 27.09.2022)
  22. Hinderer M, Boeker M, Wagner SA, Binder H, Ückert F, Newe S, Hülsemann JL, Neumaier M, Schade-Brittinger C, Acker T, Prokosch HU, Sedlmayr B. The experience of physicians in pharmacogenomic clinical decision support within eight German university hospitals. 2017 Jun;18(8):773-785. doi: 10.2217/pgs-2017-0027. Epub 2017 Jun 8. PMID: 28593816.
  23. Huisman M, Ranschaert E, Parker W, Mastrodicasa D, Koci M, Pinto de Santos D, Coppola F, Morozov S, Zins M, Bohyn C, Koç U, Wu J, Veean S, Fleischmann D, Leiner T, Willemink MJ. An international survey on AI in radiology in 1041 radiologists and radiology residents part 2: expectations, hurdles to implementation, and education. Eur Radiol. 2021 Nov;31(11):8797-8806. doi: 10.1007/s00330-021-07782-4. Epub 2021 May 11. PMID: 33974148; PMCID: PMC8111651.

Foto: stock.adobe.com