Herbstzeit ist Erkältungszeit. Die Auswirkungen zeigten sich auch bei der Anzahl der Mitglieder der Kammerversammlung, die am 9. November 2024 zur 8. Sitzung der VIII. Wahlperiode im Haus der Heilberufe in Magdeburg eintrafen. Einige hatten ihr Kommen kurzfristig absagen müssen – und verpassten bedauerlicherweise einen Tag angefüllt mit Informationen und lebhaften Diskussionen. Wir hoffen, inzwischen sind alle Erkrankten gut genesen.
Einen Höhepunkt des Tages setzte gleich zu Beginn die Verleihung des Ehrenzeichens an Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff.
Prof. Uwe Ebmeyer: Ehrende Worte für den Ministerpräsidenten Dr. Reiner Haseloff
Das Albis Quartett mit Sophie Tangermann und Lorenz Swyngedouw an den Violinen, Björn Sperling an der Viola und Fermín Villanueva am Violoncello verlieh dem Akt mit dem brillant aufgespielten Divertimento D-Dur KV 136 1. Satz – Allegro von Wolfgang Amadeus Mozart eine wunderbare Leichtigkeit, ehe Kammerpräsident Prof. Uwe Ebmeyer zur Laudatio ans Rednerpult trat. Er zeichnete das Bild eines Politikers und Landesvaters, der sich – wohl auch geprägt durch die eigene Biografie – leidenschaftlich im Sinne der Demokratie für Land und Leute und nicht zuletzt für deren gesundheitliche Versorgung einsetzt.
Der Ministerpräsident zeigte sich sehr erfreut über das Ehrenzeichen
Fotos: ÄKSA
Dr. Reiner Haseloff plauderte mit den exzellenten Musikern des Albis-Quartetts
Gerührt und hocherfreut zugleich nahm der Ministerpräsident das Ehrenzeichen an. „Wann immer es künftig auf Landes- oder Bundesebene um diese Belange geht, werde ich nunmehr statt des Bundesverdienstkreuzes das Ehrenzeichen ans Revers stecken“, scherzte er, wobei man ihm in der Sache gern glauben will: In der Auszeichnung, die nur selten an Persönlichkeiten außerhalb der Ärzteschaft und ihrer Verwaltung vergeben wird, sehe er zugleich eine Verpflichtung für die Zukunft – der er sich gern und nach Kräften stelle. Dies sei in turbulenten Zeiten wie diesen nicht immer ganz einfach, ein Flächenland wie Sachsen-Anhalt mit seiner speziellen Demografie benötige oftmals andere Lösungen und Wege als Städte wie Berlin oder Länder wie etwa Bayern. Man müsse zuhören, aufeinander zugehen, sich achten. Er dankte der Ärzteschaft für ihr Vertrauen, bevor er an diesem 9. November zum nächsten „staatstragenden“ Termin weiterfuhr. Leider blieb ihm auch keine Zeit mehr, Antonin Dvoraks „Amerikanisches Quartett“ 1. Satz – Allegro ma non troppo zu lauschen. Ein Ohrenschmeichler, der vom Albis Quartett lustvoll aufgespielt, ins nächste Kapitel dieses Tages überleitete. Doch zuvor gab es langen und heftigen Applaus.
Professor Ebmeyer trat nun erneut ans Pult, um als Präsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt seine Rede zur gesellschaftspolitischen Situation der Ärzteschaft vorzutragen. Kein ganz leichtes Unterfangen. Nur Tage zuvor war Donald Trump nicht nur erneut zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt worden, sondern auch in Deutschland die Ampel-Regierung geplatzt. Wie also wird es weitergehen mit Karl Lauterbachs Reformplänen und Gesetzesänderungen. Kommt die Krankenhausreform, die Notfallreform, falls ja, wie und vor allem wann? Was wird nun aus der endlich auf den Weg gebrachten GOÄ-Novellierung? Es sind keine guten Zeiten um schnell gut voranzukommen. Dabei könnte ein Land dies gut gebrauchen, in dem Nachwuchsmangel, der demografische Wandel und drohende beziehungsweise inzwischen bereits reale Lücken in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung längst Dauerthemen sind. Natürlich – und auch das wurde in der Rede klar – stemme man sich dagegen. Man ringe um Lösungen: kurzfristige, mittelfristige und auch langfristige natürlich.
Manches gebe Anlass zur Hoffnung: Die Projekte „Raus aus der Schule & Rein in die Medizin“ und die Landarztquote, die interministerielle Arbeitsgruppe, die der Ministerpräsident ins Leben gerufen hatte, Investitionen in die Nachwuchsgewinnung für MFA – all das zeige Wirkung. Das Projekt Tele-Notärzte sei auf einem guten Weg und die Verlängerung der Sonderregelung zum Quereinstieg zum Facharzt für Allgemeinmedizin ein Schritt in die richtige Richtung. Mit den Fakultäten diskutiere die Kammer gerade Möglichkeiten, um weitere universitäre Lehrpraxen im Land etablieren zu können. Im Austausch mit den Fachschaftsräten wolle man neue Wege finden, dem medizinischen Nachwuchs die ärztliche Selbstverwaltung und Weiterbildung besser vertraut zu machen – beides wichtiger denn je, ist es doch ein Invest in die eigene Zukunft.
Bei der Novellierung des Heilberufekammergesetzes sei es nur teilweise gelungen, den Datenaustausch zwischen den Fakultäten, der Approbationsbehörde und der Ärztekammer zu erleichtern. Immerhin werde es künftig möglich sein, dass Studierende der Medizin schon während des Studiums freiwillige Mitglieder der Ärztekammer werden können. „Neben der frühzeitigen Bindung an unsere Institution und dem Interesse und Verständnis gegenüber Selbstverwaltung, ist das womöglich auch ein Weg, wie wir den berufspolitischen Nachwuchs gewinnen können“, berichtete Prof. Ebmeyer.
Lauschten aufmerksam der Laudatio des Kammerpräsidenten: Der Ministerpräsident mit seiner Ehefrau (vorne)
Sorgen bereitet der Ärzteschaft auch der erneut spürbare Mangel an einzelnen Arzneimitteln: Trotz Lieferengpassgesetz sind auch jetzt wieder rund 500 Medikamente nicht ausreichend lieferbar. Darunter sind Asthmamittel, Insulin und Antibiotika, aber auch medizinische Kochsalzlösung. Grund ist die nach wie vor bestehende Abhängigkeit von nicht-europäischen Herstellern. Hier zeige sich die Anfälligkeit eines globalisierten Systems. „Eine sich dramatisch ändernde Geopolitik hat Auswirkungen auch auf uns“, stellte der Kammerpräsident fest. „Hier brauchen wir mehr Resilienz, mehr Flexibilität – und etwas Tempo bei der Umsetzung der Gesetze.“ Die freilich nun wieder auf der Kippe stehen – zumindest teilweise.
Nein, es sind keine guten Zeiten für schnelles und entschlossenes Handeln. Da sorgte denn auch bei manchen Kammerversammlungsmitgliedern eine Petition für leichtes Unverständnis, über die Prof. Ebmeyer informierte. Deren Ziel sei, Ärztinnen sichtbarer zu machen, indem man Institutionen wie die Bundesärztekammer oder eben auch die Landesärztekammern umbenennt. Derzeit sei die Ärztekammer Sachsen-Anhalt hier zur einer Stellungnahme gegenüber dem Land aufgefordert. Der Diskurs zur Gleichstellung sei wichtig, betonte der Präsident, ob die Wahl der Mittel richtig sei, stellte er im Nachgang zur Diskussion. Über eine vom Deutschen Ärztetag beschlossene Änderung der Fortbildungsordnung werde noch gesondert informiert.
Der Kammerpräsident schloss seine Rede mit einem erfreulichen Bericht zur ersten Baumpflanzaktion aller Heilberufe – einem nachhaltigen Schritt in eine gesündere Zukunft: 9.000 Rot-Erlen und Douglasien wurden am 18. und 19. Oktober im Wernigeröder Stadtforst gepflanzt. Rund 300 Mitglieder der Heilberufskammern und ihrer Institutionen beteiligten sich, 25.000 Euro wurden als Spendenscheck übergeben.
Im Anschluss machte Andreas Wolter als Geschäftsführer auf die dramatische Lage des Klinischen Krebsregisters (KKR) aufmerksam. Waren die Förderkriterien im Jahr 2022 noch vollumfänglich erfüllt, konnten diese Ziele 2023 und 2024 auf Grund mangelnder Gesetzesgrundlage (Novelle Krebsregistergesetz LSA) nicht erreicht werden. Hier steht das Gesundheitsministerium in der Pflicht, das nunmehr aufgefordert ist, für Abhilfe zu sorgen. Es gelte, etliche Probleme 2025 zu lösen, zumal der GKV-LSA die Zahlungen der Fallpauschalen für Meldungen ab 1. Januar 2025 einstelle.
Bessere Nachrichten gab es beim Bericht zur Ärzteversorgung Sachsen-Anhalt sowie im Anschluss zum Haushalt der Ärztekammer Sachsen-Anhalt: Beides ist durch kluges Wirtschaften gesund und zukunftssicher, wenngleich es einige Herausforderungen zu bewältigen galt und gilt. So sind etwa unter anderem durch Tarifbeschlüsse gestiegene Personalkosten zu verzeichnen. Andererseits sind etliche Außenstände durch zahlungssäumige Mitglieder zu beklagen. Ein sechsstelliger Betrag komme da zusammen. „Sehr ärgerlich“, betonte Hauptgeschäftsführer Prof. Edgar Strauch. Dies soll künftig durch eine Änderung der Beitragsordnung konsequenter zu ahnden sein (siehe Beschlussübersicht). Der dennoch stabile Haushalt, der positiv in die Zukunft blicken lässt, sorge unter anderem dafür, dass es 2025 keine Beitragserhöhung geben wird.
Andreas Wolter machte auf die dramatische Lage des Klinischen Krebsregisters (KKR) aufmerksam
Der Ärztemangel beschäftigt Land und Leute weiterhin stark: Dr. Dietrich Stoevesandt
Mit großem Interesse und Spannung wurde den Versicherungsmathematischen Gutachtern der Heubeck AG um Wolfgang Schmitz gelauscht, dessen Bilanz man mit einem schon legendären Zitat von Norbert Blüm zusammenfassen könnte: „Die Rente ist sicher“. Zugleich konnte für die Ärztinnen und Ärzte im Ruhestande eine Rentenerhöhung zum 1. Januar 2025 um 1,5 Prozent beschlossen werden. Dies liege unter der Inflation, bemängelte mancher zuvor und betonte die Wertschätzung für die geleistete Arbeit der älteren Generationen. Umgekehrt sei das Einstiegsniveau, das Plateau der Renten schwer mit denen anderer Berufsgruppen vergleichbar und entsprechend hoch. Man arbeite zudem an einer Lösung, die eine doppelte Besteuerung der Renten verhindern soll.
Wie bereits beschrieben, beschäftigt der Mangel an Ärztinnen und Ärzten und die dadurch drohende Versorgungslücke Land und Leute weiterhin stark. Ein immer wieder auch in den Medien vorgeschlagenes Mittel scheint die Reihen mit ausländischen Ärztinnen und Ärzten zu verstärken. Dr. Dietrich Stoevesandt, der mit seinem neun Monate alten unglaublich friedfertigen Sohn Franz für „Zuckerschocks“ am Rande sorgte, erläuterte in seinem Vortrag die unterschiedlichen Wege für ausländische Ärzte aus der EU und aus Nicht-EU zur Approbation. Um Missbrauch oder Unstimmigkeiten zu vermeiden, seien dem Bundesgesundheitsministerium durch einen Beschluss des Bundesrates mehrere Wünsche angetragen worden: Die Kenntnisprüfung als Regelfall, bei gleichzeitig hohem Prüfungsniveau. Das Antragsverfahren müsse zudem vereinfacht werden. Und dafür soll der Wohnsitz darüber entscheiden, wer für den Antrag zuständig ist.
Am Ende ging es noch um ein heißes Eisen, das bereits in der Rede von Prof. Ebmeyer angedeutet wurde. Darüber klärte Jana Barnau, Leiterin der Abteilung Fortbildung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt auf. Es geht um eine Änderung der Musterfortbildungsordnung, die vom Deutschen Ärztetag in Mainz beschlossen wurde und nun umgesetzt werden muss: In Paragraf 6 geht es um das Sponsoring: Er sieht vor, dass es keine Einflussnahme auf Thema, Ausgestaltung, Inhalt, Ankündigung und Durchführung der Fortbildungsmaßnahme durch die Sponsorin bzw. den Sponsor geben darf.
Lauschten aufmerksam der Laudatio des Kammerpräsidenten: Der Ministerpräsident mit seiner Ehefrau (vorne)
Auf Verlangen der Kammer müssen Sponsoringverträge offengelegt werden. Es soll eine Begrenzung des Verwendungszwecks der Sponsoringleistung auf die Durchführung des wissenschaftlichen Programms geben. Zulässige Gegenleistungen sollen definiert werden. Hier entspann sich eine emotionale Diskussion. Während einige die kleinteilige Regulierung kritisierten, die womöglich einen enormen Verwaltungsaufwand provoziere, wollten andere deutlich vermittelt wissen: „Die Neutralität muss gewahrt bleiben und es sollte klar werden: Dass wir uns nicht kaufen lassen.“ Ein Beschluss dazu wurde nicht verabschiedet.
Festgelegt wurden dagegen die nächsten Termine für die Kammerversammlungen 2025: Im Frühjahr treffen sich alle am 25./26. April, im Herbst dann am 8. November.
Die Übersicht aller Beschlüsse der 8. Sitzung der Kammerversammlung finden Sie:
K. Basaran