Sehr geehrte Anwesende,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
und vor allem:
Lieber Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff.
Es geschieht nicht oft, dass die Ärztekammer Sachsen-Anhalt das Ehrenzeichen an Persönlichkeiten außerhalb unseres Berufsstandes verleiht. Wir zeichnen damit Menschen aus, die in der Medizin und insbesondere der ärztlichen Selbstverwaltung durch ihr Wirken einen positiven, nachhaltigen Einfluss genommen haben und durch ihr herausragendes Engagement Bedeutendes geleistet haben.
Nun sind Sie, lieber Herr Dr. Haseloff zwar kein Mediziner, doch als Physiker ein Naturwissenschaftler, der sich im Sinne unserer Statuten für die Belange der Ärzteschaft über das Maß hinaus eingesetzt hat und zugleich stets politischer und im besten Sinne pragmatischer Partner war und ist.
Es ist mir eine Ehre, die Laudatio auf Sie halten zu dürfen. Lassen Sie mich an einem Bespiel verdeutlichen, was uns allen noch gut in Erinnerung geblieben ist und bis heute nachwirkt – ein Grund, weshalb wir Sie heute ehren möchten: Es war ein Nachmittag im August 2023. Die Stimmung auf dem Rasen hinter dem Haus der Heilberufe in Magdeburg passte nicht so recht zum sommerlich-leichten Ambiente des Parlamentarischen Abends. Der gerade thematisierte Nachwuchsmangel bedroht zunehmend die medizinische Versorgung im Land. Die Ärzteschaft und die Gesundheitsberufe fühlen sich mit dieser Problematik oftmals allein gelassen. Demografie, Fachkräftemangel, Strukturen, Bürokratie und zahlreiche andere Probleme prallten nicht nur aufeinander, sie multiplizieren sich.
Erfahrungsgemäß hören sich die anwesenden Politikerinnen und Politiker die Klagen und Hilferufe an, reagieren betroffen. Selten genug jedoch, dass sich danach etwas ändert. Nicht so unser Ministerpräsident. An diesem 23. August 2023 sammelten Sie unsere Reden ein und erklärten die längst drohende Krise – die letztlich das ganze Land betrifft – zur Chefsache. Noch im Herbst wurde der erste Gesundheitsgipfel unter Beteiligung aller Akteure und Entscheidungsträger einberufen. Daraus hervorgegangen ist eine interministerielle Arbeitsgruppe, die inzwischen nach Evaluierungen und Analysen den Boden für weitere Handlungen zur Lösung der Probleme bereitet.
Aber unser Landesvater belässt es nicht dabei. Auch auf Bundesebene thematisieren Sie die spezifischen Themen und Probleme der Gesundheitsversorgung unseres Landes immer wieder mit Nachdruck. Laut. Plakativ. Sie wagten sich sogar an das heiße Eisen Landeskinderquote, das eine Änderung des Staatsvertrags der Bundesländer über die Hochschulzulassung erfordert und thematisierten dies lautstark. Dafür gebührt Dank und Respekt.
Den Ärztemangel zur Chefsache erklären: Das ist etwas, was Reiner Haseloff kennzeichnet. Sie hören zu, setzen sich mit den Themen auseinander und lassen nicht locker. Dabei achten Sie unser Selbstverständnis als Vertreter eines freien Berufs. Sie verstehen uns und die Situation in unserem Bundesland. Es ist einzigartig und braucht deshalb auch spezifische Lösungen, die sich nicht zwingend am Parteibuch und an Vorgaben aus Berlin orientieren, sondern an den Bedürfnissen der Menschen hier. Dieses Verständnis rührt womöglich auch aus Ihrer Biografie.
Reiner Haseloff wurde an einem eiskalten Wintertag in Bülzig bei Wittenberg geboren. Der 19. Februar 1954 war ein Freitag und laut Legende soll das Thermometer um die minus 25 Grad Celsius angezeigt haben. Als Sohn eines Schlossers* und einer Facharbeiterin gingen Sie in Lutherstadt Wittenberg zur Schule. Es muss nicht einfach gewesen sein, als gläubiger Katholik in einer evangelisch geprägten Stadt aufzuwachsen, mehr noch, dass Sie überhaupt an etwas Anderes als an Marx und Lenin und den Sozialismus glaubten. Ein Unbeugsamer, so kann man sich vorstellen und ein Musterschüler womöglich, denn ohne Jugendweihe einen Studienplatz zu ergattern, dazu gehörte schon etwas. Das Abitur an der EOS „Philipp Melanchton“ schlossen Sie 1972 ab – mit Bestnote. Es folgt das Studium der Physik in Dresden und Berlin – „ein Fach, das in der Lehre ideologiefrei schien“. Aber Freude, Neugier und Interesse an der Naturwissenschaft hatten Sie ja auch. Interessant, wie Sie hier schon versuchten, zwei scheinbare Gegensätze – Glaube und Naturwissenschaft – für sich miteinander zu verbinden.
Sie schlossen als Diplom-Physiker ab und arbeiteten als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Umweltschutz in Wittenberg, das nur rund 50 km von Bitterfeld/Wolfen entfernt ist. Wir erinnern uns: Damals war die Luft dort ziemlich dick. Später dann, 1991 promovierten Sie zum Thema: „Entwicklung von Messgeräten auf der Basis der linearen Laser-Absorptionsspektrometrie zur empfindlichen Molekülgas-Konzentrationsmessung unter dem Aspekt des Einsatzes in der Umweltkontrolle“.
Aus der NVA wurden Sie nach einem knappen halben Jahr entlassen – eine schwere Erkrankung hatte Sie heimgesucht. Nach dem Studium sollten Sie die Wehrzeit nachholen. Für ein Jahr kamen Sie nach Prora, dem zu DDR-Zeiten größten Bausoldatenstandort der NVA. „Deshalb bin ich auch nur Gefreiter“, haben Sie einmal gesagt und gelacht. Es ist der zweitniedrigste Dienstgrad gewesen, aber Sie hätten gern ganz darauf verzichtet. Sie waren damals bereits verheiratet und Vater eines Sohnes. Heute sind Sie Vater zweier erwachsener Söhne und Großvater von fünf Enkeln.
Lieber Reiner Haseloff, man kann sich kaum vorstellen, welch große Kraft und Zuversicht in Ihnen aufgekommen ist, als die Mauer fiel und damit ein System zerbrach, das Ihnen viel abverlangt hatte – beruflich, privat, persönlich. Das Sie aber auch prägte und durch die Erfahrungen, die es hinterließ, Sie bis heute vorantreiben.
Seit 2011 sind Sie unser Ministerpräsident, der Dienstälteste der Bundesrepublik. Sie waren schon als 22-Jähriger, noch in der DDR, in die CDU eingetreten, wegen des „C“s, wie Sie einmal sagten. Auch wieder so ein Wille zum Mut, zum aufrechten Menschen. Dieser Glaube an die Demokratie, an die Menschen, an dieses ostdeutsche Land. Bei allen Turbulenzen des Lebens hatten Sie stets in Wittenberg Ihren Lebensmittelpunkt. Tief verwachsen sind sie mit den Menschen hier und verwurzelt in der Region.
Sie waren stellvertretender Landrat, zehn Jahre Arbeitsamts-Direktor; dann holte Sie der CDU-Politiker und Arzt (!) Prof. Böhmer als Staatssekretär des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen-Anhalt, ehe Sie fünf Jahre lang selbst Hausherr dieses Ministeriums wurden. Seit 2011 sind Sie Ministerpräsident und man kann sagen: Sie kennen Land und Leute, und Sie setzen sich für beide ein.
In all den Jahren waren Sie uns stets ein wertvoller Ansprechpartner. Sie engagieren sich für die Herzgesundheit, gehen wandern mit den Menschen, suchen das Gespräch. Sie erkennen die Not, die Herausforderungen. Und sind ebenso sachlich und gradlinig beim Suchen nach nachhaltigen Lösungen – aufrichtig, bodenständig, glaubwürdig. Und deshalb glauben auch wir daran, dass wir auf Sie zählen können. Sie haben es schon bewiesen, aber wir brauchen Sie und Ihren Pragmatismus, Ihren Mut und Ihr Durchsetzungsvermögen auch weiterhin an unserer Seite in diesen turbulenten Zeiten.
„Entweder macht man es richtig oder gar nicht. Und wenn es mal kritisch wird, dann muss man das durchstehen.“ Das haben Sie einmal gesagt. Wir nehmen Sie gern beim Wort. Heute möchten wir Ihnen für Ihren Einsatz und die Unterstützung der Ärzteschaft im Sinne der bestmöglichen medizinischen Versorgung unserer Bevölkerung danken und Sie für Ihre Verdienste ehren.
Mit einer kleinen Nadel, die unsere große Anerkennung birgt. Die Ärztekammer Sachsen-Anhalt verleiht hiermit Herrn Dr. Reiner Haseloff das Ehrenzeichen.
Die Laudatio hielt der Präsident der Ärztekammer
Sachsen-Anhalt, Professor Uwe Ebmeyer
* Kleine Korrektur: Dr. Reiner Haseloff erklärte während seiner Danksagung, dass sein Vater Erich Metallflugzeugbauer war.